Für konstruktives Feedback und gelungene Entwicklung
Liebe Leserinnen und Leser,
eine der größten Herausforderungen in der Führung ist es, Feedback so zu gestalten, dass es weder überfordert noch beschönigt, sondern wirklich weiterhilft. Viele von Ihnen kennen den Moment, in dem Sie sich fragen: Wie gebe ich meinem Mitarbeiter konstruktive Rückmeldung, ohne das Verhältnis zu belasten? Oder, wie zeige ich Wertschätzung und stehe gleichzeitig für die – notwendige – Weiterentwicklung ein? Wie wird mein Feedback annehmbarer als bisher?
Hier bietet das Werte- und Entwicklungs-Quadrat nach Friedemann Schulz von Thun eine inspirierende Hilfe, um Feedback in ein harmonisches Gleichgewicht zu bringen. |
Es geht darum, durch ein ausgewogenes Verhältnis von „Schwesterntugenden“ wie Akzeptanz und Konfrontation die Balance zu halten – für ehrliche Rückmeldungen und echte Wachstumschancen. Es ermöglicht, Potenziale klar zu benennen und gleichzeitig wertschätzend zu bleiben, ohne in eine unangenehme Schieflage zu geraten. Weder werde ich überkritisch sein und nur den eigenen Vorteil in den Verhaltensänderungen des anderen sehen, noch werde ich ins andere Extrem verfallen und mit grenzenloser Nachsicht die Person des anderen unterwürfig akzeptieren, während ich meine eigenen Interessen völlig hintanstelle.
Das Werte- und Entwicklungs-Quadrat: Die Balance von Stärken
Das Werte- und Entwicklungs-Quadrat basiert auf einer einfachen, aber tiefgründigen Idee: Viele Stärken können, wenn es ihrer zu viel gibt, in ein unangenehmes Extrem umschlagen. Tugenden entfalten ihr Potenzial oft dann am besten, wenn sie durch eine weitere ausgleichende Eigenschaft im Zaum gehalten werden. So zeigt das Modell auf, dass viele Tugenden eine „Schwester“ brauchen, die für das nötige Gegengewicht sorgt und das dynamische Gleichgewicht herstellt. So wie Wasser und Regen zusammen etwas Höheres Drittes entstehen lassen – einen Regenbogen – so ergeben viele Tugenden, gemeinsam in dynamischer Spannung ausgehalten, ein produktives Miteinander und eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Schauen wir uns ein paar Praxisbeispiele an:
- Gewissenhaftigkeit ist wertvoll, doch übertrieben neigt sie dazu, zum Perfektionismus „abzurutschen“. Gelassenheit bietet den nötigen Ausgleich, solange sie nicht in vollkommene Gleichgültigkeit übergeht.
- Freundlichkeit öffnet Türen, wird jedoch zur Last, wenn sie in übermäßige Nähe und vollkommene Distanzlosigkeit umschlägt. Hier sorgt gesunde Reserviertheit für die notwendige Professionalität, würde im Extrem jedoch mit unpersönlicher Stoffeligkeit abschrecken.
- Mut inspiriert und treibt an, kann aber schnell in Leichtsinn kippen. Vorsicht sorgt für ein gutes Gleichgewicht, ohne dass sie in lähmende Angst übergeht.
- Vertrauen ist gut (wenn es nicht blindes Vertrauen wird), Kontrolle zumindest dem Sprichwort nach manchmal besser – doch zu viel Kontrolle verwandelt sich in Misstrauen, und Big Brother lässt grüßen. Erst gegenseitiges Vertrauen und klare Kontrolle ergänzen sich ideal.
Die Formel A+K=E: Ein Erfolgsrezept für Feedback
Im Feedback-Prozess zeigt das Werte- und Entwicklungs-Quadrat auf, wie Akzeptanz und Konfrontation eine wertvolle Symbiose eingehen: Während Akzeptanz das offene Arbeitsklima fördert, sorgt Konfrontation dafür, dass ehrliches Feedback möglich bleibt.
Schulz von Thun spricht sogar von einer kleinen „Zauberformel“: Akzeptanz (A) und Konfrontation (K) führen (gemeinsam, und im richtigen Maß zeitgleich dosiert) zu Entwicklung (E). Doch was bedeutet das konkret?
Akzeptanz schafft die Basis für Vertrauen und Offenheit: Der andere ist gut in seinem oder ihrem So-Sein. Doch übermäßig eingesetzt, führt Akzeptanz zu bloßer Anpassung und Unterwürfigkeit – eine Gefahr, die gerade im Feedback-Gespräch problematisch werden kann.
Die „Schwester“: Akzeptanz braucht ein Spannungsverhältnis zu Konfrontation. Diese Eigenschaft bedeutet, Dinge beim Namen zu nennen und authentische Rückmeldungen zu geben. Zu viel Konfrontation dagegen kann in egoistisches Durchsetzungsstreben umschlagen und Konflikte provozieren.
Wenn wir also Akzeptanz und Konfrontation in der Balance halten, schaffen wir Raum für wertschätzendes und konstruktives Feedback, das wirklich zu Entwicklung führt. So können Sie die Stärken Ihrer Mitarbeiter nutzen und fördern, ohne die Risiken einzugehen, die extreme Positionen mit sich bringen.
Fazit: Jedes Feedback ist ein Balanceakt – und Sie sind der Seiltänzer, der seine Position immer wieder neu austariert.
Das Werte- und Entwicklungs-Quadrat hilft, Feedback als diesen Balanceakt zu begreifen, und die beiden Abgründe rechts und links des Wegs zu erkennen. Das Modell setzt auf ehrliche und präzise Rückmeldung im Gleichgewicht der Werte. Und weil ehrliches Feedback immer auch Fingerspitzengefühl erfordert, ist es hilfreich zu wissen, dass ein Modell wie das Werte- und Entwicklungs-Quadrat hilft, zu klären, welche Tugenden genau hier in Balance zu halten sind.
Ihr Alexander Noß
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