Liebe Leserinnen und Leser,
nicht erst seit der Corona-Pandemie, sondern auch schon davor war virtuelle Führung ein Thema des Arbeitens im digitalen Wandel. Sicher haben Sie damit in Ihrem Arbeitsleben schon Erfahrungen gemacht. Arbeitsaufträge werden nicht mehr persönlich verteilt, sondern es wird einfach eine kurze Mail an alle Beteiligten des Projekts geschrieben – mit alle den Nebenwirkungen eines hyperaktiven Reiz-Reaktionsschemas. Teambesprechungen werden durch »Telkos« oder mittlerweile hauptsächlich Videokonferenzen ersetzt. Und auch die Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in das Unternehmen oder in ein Projekt wird in vielen Fällen durch digital gesammelte Anleitungen unterstützt.
Die Fortschritte in Technik und Telekommunikation ermöglichen es Teams, von unterschiedlichen Orten aus zusammen zu arbeiten. Die unmittelbaren Vorteile davon, dass man nicht mehr an einen bestimmten Ort gebunden ist, um seine Arbeit zu erledigen, sind vielen bewusst: Sinkende Mühen und Kosten zum Beispiel durch wegfallende Anfahrtswege sowie auch die erhöhte Konzentration auf die individuellen Aufgaben aufgrund wegbleibender Ablenkung durch persönliche Kontakte. Gleichfalls können Unternehmen menschliche Kompetenzen von überall auf der Welt nutzen, die vormals auf einen geographischen Umgebungsradius begrenzt waren. Im Vergleich zur lokalen Zusammenarbeit, fallen aber nicht nur Anfahrtswege weg, sondern auch gemeinsame Erlebnisse, das kollektive Bilden von Meinungen und die gesamte, geteilte Realität, die man vor Ort hat: Der Kaffee in der Kantine, der Geruch des Teppichs und das gesamte Ambiente der Gebäudearchitektur.
Auf drei Aspekte virtueller Führung gehen wir nachfolgend ein:
Welche Auswirkungen haben diese Eigenheiten virtueller Zusammenarbeit auf Führung und was können Führungskräfte in diesem Kontext besonders beachten? Wissenschaftler sind sich einig, dass es voraussetzungsvoller ist, virtuell anstatt face-to-face zu führen. Ein Grund dafür ist, dass Führungskonzepte, die sich in Präsenz etabliert haben, auf Distanz nicht eins zu eins funktionieren. Hoch und Kozlowski (2012) konnten anhand einer empirischen Studie zeigen, dass traditionelle hierarchische Führung in hoch virtuellen Teams weniger effektiv ist als in Präsenz. Gleichzeitig ist strukturelle Unterstützung, also Führung indirekt vermittelt über organisationale Prozesse und Aufgabenstrukturen wie zum Beispiel eine zentrale Sammelstelle aller Aufgaben, wichtiger als vor Ort. Hier kommen unter anderem auch digitale Tools ins Spiel. Um die Kommunikation und die digitale Zusammenarbeit effizient zu gestalten, sollte auf digitale Tools (sogenannte Collaborative Workforce Management Tools) zurückgegriffen werden, anstatt mit einer unübersichtlichen Flut von E-Mails zu arbeiten. Cal Newport (2021) redet in diesem Zusammenhang vom sogenannten Hyperaktive Hive Mind:
„A workflow centered around ongoing conversation fueled by unstructured and unscheduled messages delivered through digital communication tools like email and instant messenger services.”
Das Angebot an Tools für die Verteilung von Aufgaben, die Strukturierung von Wissen und der kollaborativen Zusammenarbeit ist riesig, sodass jeder ein Angebot für die jeweiligen Anforderungen seines Unternehmens findet. Im Sinne der Übersichtlichkeit und Effizienz sollten jedoch nur solche Tools eingesetzt werden, die wirklich von Bedarf sind. Mögliche Beispiele sind Trello, MS Teams, Confluence oder Asana. Letzteres nutzen wir bei Keller Partner selbst.
Durch die fehlende geteilte Realität ist auch die Mitarbeiterbindung im virtuellen Kontext schwieriger. Empirisch konnte gezeigt werden, dass im Vergleich zu traditioneller Führung Teammitglieder unter virtueller Führung weniger Verpflichtung gegenüber der Organisation empfinden (Bansal, 2008). Geringes Verpflichtungsgefühl kann sich vielfältig manifestieren, beispielsweise in geringer Anstrengung oder sogar Kündigung. Für die Führungskraft bedeutet dies extra Mühe und für das Unternehmen sogar Kosten. Es wird deutlich, wie wichtig es ist, dass Sie in Team-Building und Beziehungsarbeit investieren. Insbesondere bei neu zusammengestellten Teams ist es wichtig, dass sich die Mitarbeiter gegenseitig aber auch Sie als Führungskraft in Präsenz kennenlernen. Für rein dezentrale Teams ist es ansonsten sehr schwierig Bindung und Vertrauen herzustellen, da es dafür der direkten, interpersonellen und auch informellen Kommunikation bedarf. Auch bereits bestehende Teams sollten sich in regelmäßigen Abständen vor Ort treffen und etwas Gemeinsames erleben, um Vertrauen und Bindung aufrecht zu erhalten und zu stärken sowie Entfremdung vorzubeugen.
Ein weiterer zentraler Aspekt wirksamer virtueller Führung ist die Klarheit. Je weniger Zeit man mit seinen Angestellten hat und je höher der Aufwand für Absprachen ist, desto präziser müssen Aufgabenstellungen und Ziele formuliert sein, damit keine Fragen offenbleiben. Denn jede schriftliche Kommunikation führt zu einem Informationsverlust gegenüber der direkten face-to-face Kommunikation, da Informationen nicht aus Mimik, Gestik, Ton und anderen non-verbalen Hinweisreizen gezogen werden können. Zur klaren Kommunikation gehört zudem regelmäßiges Feedback, bei Erfolgen und Misserfolgen.
Aspekte der Kommunikation, die im virtuellen Kontext von Führungskräften beachtet werden müssen, beziehen sich nicht nur darauf wie, sondern auch wie viele Informationen an das Team weitergegeben werden. Bei der Informationsweitergabe kommt Führungskräften eine zentrale Rolle zu. Hoch und Kozlowski (2012) fanden heraus, dass die Weitergabe relevanter Informationen durch die Führungskraft einen umso größeren Effekt auf die Leistung eines Teams hat, je höher deren Grad der Virtualität ist.
Was ist also zusammengefasst im Kontext virtueller Führung zu beachten?
Weitere Tipps, wie Sie auch von Zuhause wirksam führen (und arbeiten), finden Sie in einem eigens diesem Thema gewidmeten Modul unserer eAcademy. Auch steht unser Team Ihnen und Ihrem Unternehmen bei der Gestaltung des virtuellen Führens gerne mit Coachings, Trainings und Weiterbildungen zu Seite.
Wir bedanken uns für Ihre Aufmerksamkeit und wünschen viel Erfolg beim Führen im virtuellen Kontext.
Barbara Drees mit Prof. Dr. Daniel Keller von Keller Partner
Titelbild: Foto von janeb13 auf Pixabay.