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Prof. Dr. Daniel Keller19.2.2019

Die Zukunft ist bunt

Wie man Kulturproblemen in der Führung begegnet 

 

Liebe Leserinnen und Leser,

in Zeiten der Globalisierung verändert sich die Zusammensetzung der Teams am Arbeitsplatz. Auch Sie haben ganz bestimmt Kollegen mit Migrationshintergrund oder arbeiten mit Menschen aus völlig anderen Kulturen zusammen. Multikulturalität und Wertepluralismus sind nach wie vor aktuelle und relevante Themen im Kontext der Arbeit und der Führung, da durch die Digitalisierung der Arbeit Menschen aus vielerlei Zeitzonen und Kulturen aufeinandertreffen.

Was verstehen wir generell unter dem Begriff „Kultur“? Kultur darf zuerst einmal nicht gleichgesetzt werden mit Zivilisation. Es handelt sich also nicht um den Vorgang des kulturellen Fortschritts vom Steinzeitmenschen bis zum heutigen Homo sapiens in seiner ganzen Pracht. Nein, Kultur gehört zur natürlichen Ausstattung des Menschen und wird verstanden als Lebensumwelt, die mit bestimmten Mustern des Denkens, Fühlens und Handelns einhergeht. Diese Muster werden innerhalb einer Gesellschaft durch Erziehung und Traditionen weitergegeben und verinnerlicht. Nach Edgar Schein (1990) bestimmen sie dadurch im Sinne eines mentalen Modells, was wir für richtig und angemessen befinden und prägen daher unser alltägliches Verhalten.

Vergleichen wir dazu einmal die Arbeitsweisen von „typischen“ Deutschen und Franzosen. Wir als Deutsche neigen tendenziell zu großer Pünktlichkeit und Effizienz und kommunizieren eher auf der Sachebene, fokussieren also auf den Inhalt und weniger auf die Beziehung während eines Gesprächs. Bei Franzosen kann man oft das genaue Gegenteil beobachten: Diese verbringen zuerst eine geraume Zeit damit, den Beziehungsaspekt klarzustellen und so eine tragfähige Arbeitsbeziehung zu schaffen, bevor die eigentliche inhaltliche Arbeit beginnt. So oder ähnlich kommt es tagtäglich überall auf der Welt zu kulturellen Missverständnissen im Umgang zwischen Menschen verschiedener Herkunft. Selbstverständlich beeinflusst das auch die Führung, denn sowohl auf Seiten des Führenden als auch auf Seiten der Geführten ist die Kultur eine relevante Variable. Zum besseren Verständnis von Kulturen muss man sich ihnen aus zwei Perspektiven nähern: Was haben Kulturen gemeinsam und wo unterscheiden sie sich?

Für den Führungskontext muss eine Synthese aus diesen beiden Fragen gewonnen werden:

Indem wir Gemeinsamkeiten identifizieren, können wir ein Fundament aufbauen, auf dem eine solide Beziehung zwischen Führenden und Mitarbeitern stehen kann. Durch die Verschiedenheit erweitert sich gleichzeitig unser Handlungsspielraum und die Kreativität: Der chinesische Mitarbeiter geht an ein Problem mitunter ganz anders heran, als der deutsche, indem er z.B. seine Kollegen um Hilfe bittet, statt sich stundenlang in ein Problem zu verbeißen.

Die Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten zwischen den Kulturen sind schwer in Worte zu fassen. Hofstede (2011) definiert sechs Dimensionen, auf denen Länder und Kulturkreise tendenziell unterscheiden können: Machtdistanz, Vermeidung von Ungewissheit, Individualismus vs. Kollektivismus, lang- oder kurzfristige Orientierung und Nachgiebigkeit vs. Zurückhaltung.

Nehmen wir ein Beispiel zur Verdeutlichung dieser recht abstrakten Dimensionen: Hongkong in Südchina ist eine hoch kollektivistisch orientierte Gesellschaft (die Dimensionen für verschiedene Länder finden Sie auf www.hofstede-insights.com/). Geht man hier nicht gemeinsam mit den Anderen Essen oder verlässt alleine das Büro, so wird man schief beäugt, denn die chinesische Kultur findet es gut und richtig (vergleiche Scheins Definition von Kultur), alles in Gesellschaft zu begehen. In Deutschland, einer individualistisch orientierten Kultur, wird ein solches Verhalten sehr viel eher als normal angesehen, da das Bedürfnis nach ein wenig Zeit für sich selbst hier mehr im Fokus steht. Die Be- oder Missachtung solcher Konventionen kann Verhalten erklären.

Dennoch ist hier Vorsicht geboten:

 

Nicht alleine die Kulturzugehörigkeit bestimmt das Verhalten eines Menschen! Auch Persönlichkeit und situative Faktoren müssen stets mit berücksichtigt werden. Diese Differenzierung ist Aufgabe der Führungskraft.


Als Führungskraft kann und sollte man sich der kulturellen Unterschiede der Mitarbeiter bewusst sein und konkret durch situatives Führungsverhalten darauf eingehen. In der GLOBE-Studie (Zusammenfassung nach Schmid & Kotulla, 2010) wurde die Bewertung verschiedener Führungsstile in zehn unterschiedlichen Kulturkreisen untersucht, die allesamt durch ihre Ausprägungen auf den Hofstede-Dimensionen kategorisiert wurden. Es ergaben sich signifikante Unterschiede in der Bewertung der verschiedenen Führungsstile. Beispielsweise wird ein partizipativer, nicht autokratischer Führungsstil in asiatischen Gesellschaften deutlich geringer bewertet, als z.B. in Westeuropa, aber ein defensiver, „gesichtswahrender“ Führungsstil dafür höher als in anderen Kulturen. Über alle Kulturen hinweg wurden charismatische und teamorientierte Führungsstile am besten bewertet und der eben erwähnte defensive Stil am schlechtesten. Situative Führung lohnt sich also!

Nur ein einziger Führungsstil wird nicht immer zum Erfolg führen, denn die Vorteilhaftigkeit verschiedener Führungsstile ist kulturabhängig.


Weiterhin spielen die Persönlichkeit des Mitarbeiters sowie sein Arbeitskontext eine wichtige Rolle.

Beachten Sie dazu folgende Tipps:

  • Verhalten Sie sich als Führungskraft flexibel und reagieren Sie auf jeden Mitarbeiter individuell, angepasst an dessen kulturellen und persönlichen Hintergrund und die Erfordernisse der aktuellen Situation. Was gewinnen Sie dadurch? Sie erhöhen das Commitment des jeweiligen Mitarbeiters für Unternehmen und Sache, da eine individuelle Behandlung stets als wertschätzend wahrgenommen wird, und steigern Produktivität und Leistung durch situationsadäquates Handeln.

  • Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen: Sollten Sie noch unsicher in Bezug auf situatives Führen sein, so beginnen Sie mit den empirisch am besten bewerteten Führungsstilen: Führen Sie charismatisch und teamorientiert. Versuchen Sie authentisch zu wirken, eine glaubhafte und umsetzbare Vision zu vertreten und Ihren Mitarbeitern durch aktives Zuhören, echtes Interesse und persönliche Zuwendung Wertschätzung zu vermitteln.

  • Beherrschen Sie diesen ersten Schritt, dann passen Sie Ihren Führungsstil je nach Kultur und Persönlichkeit des Mitarbeiters an: Führen Sie einen zurückhaltenden Asiaten beispielsweise eher humanorientiert, zeigen Sie viel Zuwendung, bleiben Sie bescheiden und achten Sie auf das zwischenmenschliche Miteinander.

  • Ein weiterer Tipp: Vermeiden Sie generell den sogenannten defensiven Führungsstil, der durch selbstbezogenes, konfliktorientiertes und statusorientiertes Verhalten geprägt ist. Dieser mag zwar „gesichtswahrend“ wirken, ist aber der über alle Kulturkreise hinweg am negativsten bewertet worden und daher nicht zu empfehlen.


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Vielen Dank für Ihr Interesse! Wir wünschen Ihnen viele bereichernde Erfahrungen im Umgang mit Ihrem interkulturellen Team.

Prof. Dr. Daniel Keller für Keller Partner

 

Bildquelle: Foto von rawpixel.com auf Freepik

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