KP Magazin

Laterales Führen

Geschrieben von Prof. Dr. Daniel Keller | 29.4.2021

Wo ist laterales Führen sinnvoll und wertvoll?

 

Liebe Leserinnen und Leser,

wir möchten Sie dazu einladen, sich einmal in die nachfolgende Situation hineinzudenken: Stellen Sie sich vor, Sie seien Teamleiter in einem großen Unternehmen im Bereich Telekommunikation und würden eines Tages von Ihrem Vorgesetzten den Auftrag erhalten, die Kooperation zwischen verschiedenen Bereichen im Unternehmen in Gang zu setzen. Das Problem ist allerdings, dass Sie keine direkten Weisungsbefugnisse besitzen, um Ihre Kooperationspartner entsprechend zu führen und ihnen einen bestimmten Weg vorzugeben. Wie können Sie das Problem nun lösen, um den Ansprüchen Ihres Vorgesetzten dennoch gerecht werden zu können? Was glauben Sie, welche Art von Führung hier sinnvoll und auch wirksam sein könnte?

Um mögliche Lösungsansätze entwickeln zu können, empfiehlt es sich, zunächst einen Blick auf die Richtungen von Führung zu werfen. Führung kann bekanntermaßen hierarchisch angeordnet sein. Hierbei ist die Führungskraft die alleinige Autoritätsperson und hat Kontrolle über ihr Team. Allerdings sind nicht immer Hierarchien und feste Strukturen gegeben. Genau in diesen Situationen kann das Konzept der lateralen Führung greifen. Doch was steckt dahinter?

Laterale Führung findet sich abseits hierarchischer Regelungen wieder. Das Konzept fokussiert Führungsverhalten in Situationen ohne konkrete Weisungsbefugnisse (Kühl, Schnelle & Schnelle, 2004). Laterale Führung beschreibt eine seitliche Führung. Es bedeutet, dass der Führungsprozess von jedem Mitglied in einer Gruppe ausgehen kann (Kauffeld, Inario & Sauer, 2014). Die laterale Führung lässt sich somit der Kategorie der personalen Führung zuordnen.

Führung ohne Anordnungsrechte hört sich zunächst paradox an. Wie kann eine seitliche Führung funktionieren, wenn keine Weisungsbefugnisse vorliegen? Die Idee hinter dem Konzept meint keinen einfachen Kompromiss zwischen zwei Parteien, sondern vielmehr eine Einflussnahme auf seine Team- und Kooperationspartner, um diese in die Richtung der eigenen Ideen zu bringen.

Bei bereichsübergreifenden Projekten und Arbeitsgruppen ist laterales Führen besonders wirksam (Kühl, Schnelle & Schnelle, 2004).


Projektkoordinatoren und -leiter müssen die Arbeit der Teammitglieder strukturieren. Das Fehlen von Entscheidungsbefugnissen hemmt hier oftmals die Effektivität. Um dennoch effizient und zügig gute Arbeitsergebnisse zu erzielen, ist laterales Führen eine mögliche Alternative.

Im Kern des Konzeptes stehen drei wichtige Mechanismen der Einflussnahme: Verständigung,  Macht und Vertrauen (Kühl, Schnelle & Schnelle, 2004; Kühl, 2016). Sehen Sie die drei Mechanismen als Ihre Werkzeuge an, um laterale Führung realisieren zu können.

Folgende Tipps möchten wir Ihnen mit auf den Weg geben:

  • Verständigung heißt, die Denkstrukturen der anderen Mitarbeiter zu verstehen, mit seinen eigenen Ideen abzugleichen und neue Handlungsalternativen in Betracht zu ziehen. Überwinden Sie die Fixierung auf verfestigte Sichtweisen und seien Sie offen für neue Alternativen. Als laterale Führungskraft ist es hier wichtig, eine gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu gewährleisten.

  • Macht im Sinne der lateralen Führung bezieht sich nicht auf hierarchische Anweisungen. Es bedeutet vielmehr, dass Sie bestehende Blockaden zwischen  Mitarbeitern durch die Übernahme einer Machtpositionen aufbrechen können. Beziehen Sie auch Expertenwissen stärker mit ein. Hier schließt auch eine Analyse bereits bestehender Machtverhältnisse im Team an. So zeigt sich konkret, welche Person wegen welchen Interessen in welcher Art und Weise handelt. Das Erkennen von Netzwerkstrukturen bietet optimale Ansatzpunkte für Ihr Handeln.

  • Vertrauen ist ebenfalls von Bedeutung. Seien Sie bereit, ein Risiko einzugehen und Ihrem Gegenüber einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Hieraus kann sich ein langfristiges Vertrauensverhältnis entwickeln, das die Arbeitsergebnisse positiv beeinflusst. Abwesenheit von Vertrauen spiegelt sich zum Beispiel in destruktivem Führungsverhalten wider (Schyns & Schilling, 2013), das es zu vermeiden gilt.

Verständigung, Macht und Vertrauen stehen hierbei in einer dynamischen, wechselseitigen Beziehung. Sie können zusammenspielen, sich beeinträchtigen und sich gegenseitig ersetzen:  Auf den ersten Blick zeigt sich schnell, wie die Konzepte ineinandergreifen. Eine Analyse der bestehenden Machtstrukturen unterstützt die Verständigung untereinander. Auch das Vorhandensein von Vertrauen führt schnell zu mehr Akzeptanz bei der Übernahme von Macht. In anderen Situationen können sich die Einflussmaßnahmen auch behindern. Die Übernahme der Machtpositionen kann das Vertrauensverhältnis einschränken. Zuletzt können sich einzelne Maßnahmen auch ersetzen. Vertrauen schafft beispielsweise viel Spielraum für die Entscheidungen des Gegenübers. Es ist nicht notwendig, alle Denkweisen einer Person zu kennen, da man ihr und ihrer Entscheidung bereits vertraut.

Der wirkliche Clou hinter dem Konzept ist die Betrachtung der Situationsabhängigkeit (Kühl & Schnelle, 2009; Kühl, 2016). Je nach Situation sind einzelne Mischungen der Einflussmaßnahmen besonders wirksam, sodass hier eine flexible Anpassung von hohem Nutzen ist. Entscheiden Sie daher aus der Situation heraus, wie viel Verständigung, Macht und Vertrauen gerade angemessen sind.

Um erfolgreich zu handeln, empfiehlt es sich als laterale Führungsperson zu versuchen, Commitment innerhalb und außerhalb des Teams zu erzielen


Fürstenberger (2018) schlägt vor, die Rollen des Strategen und Kommunikators einzunehmen. Der Stratege verschafft sich einen Überblick über die Anliegen und Positionen der Mitarbeiter. Aus der Distanz heraus definiert er zu Beginn Handlungsstrategien. Der Kommunikator hingegen stellt im engen Dialog die Positionen und Interessen der Mitarbeiter heraus. Treffen Sie daher zunächst die Entscheidung, ob Sie aus der Distanz oder aus der Nähe heraus agieren wollen. Wichtig ist auch hier die Betrachtung der Situation.

Blicken wir nochmal auf das anfängliche Fallbeispiel zurück: Das Problem bestand darin, dass wir als Teamleiter nicht wussten, wie wir unsere Kooperationspartner entsprechend führen sollen. An dieser Stelle ist es sinnvoll, auf die genannten Kompetenzen der lateralen Führung zurückzugreifen. Auch ohne hierarchische Weisungsbefugnisse können Sie hier eine erfolgreiche Zusammenarbeit realisieren. Machen Sie sich zunächst einen Überblick über die bestehenden Machtstrukturen. Definieren Sie entweder Handlungsstrategien aus der Distanz oder direkt im engen Kontakt. Als Teamleiter sollten Sie Vertrauen zu Ihren Mitarbeitern aufbauen und eine gute Kommunikation gewährleisten. Entscheiden Sie dennoch individuell, in welchem Ausmaß Sie die Mechanismen der Einflussnahme anwenden.

Möglicherweise finden auch Sie sich in Situationen wieder, in denen laterales Führen für Sie von Nutzen sein kann. Denken Sie an Verstärkung, Macht und Vertrauen als flexible Werkzeuge, um in stagnierenden Situationen die Zusammenarbeit effizienter zu gestalten. Werfen Sie gerne einen Blick auf unsere eAcademy. Hier finden Sie, neben dem Modul der laterale Führung, auch Module zu weiteren Führungsthemen, Kommunikation oder wirksamer Arbeit.

Wir bedanken uns für Ihr Interesse und wünschen viel Erfolg bei der Erprobung von lateraler Führung. Gerne unterstützen wir Sie hierbei und stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

Lea Hurtenbach mit Prof. Dr. Daniel Keller für Keller Partner

 

Titelbild: Foto von Patrick Case auf Pexels